So Freunde, da will ich mal wieder einen zum Besten geben. Es war ja lange genug recht ruhig auf meiner Seite. Doch jetzt werden wir gemeinsam Gas geben, schließlich ist das erste Highlight der Saison in der Tasche. Ich nehme es schon mal vorweg, die Saison 2025 begann für mich erst mit einem Donnerschlag und dann mit einem Paukenschlag. Ihr kennt das Spiel, dazu lasst uns ein paar Wochen zurückblicken.
Es war ein kalter, sehr kalter Morgen an jenem 17. Februar, als ich mich wieder zu Fuß auf dem Weg in die Fabrik machte. Es herrschten fast zweistellige Minusgrade, als ich die Ortslage Spergau passierte. Genau um 5:40 Uhr erschütterte eine Detonation von unvorstellbarem Ausmaß die besagte Ortslage. Ich bin aus unerklärlichem Grund auf gerader und asphaltierter Straße ins Straucheln geraten und ohne jegliche Reaktion hat es mich der Länge nach niedergestreckt. Ich landete mit voller Wucht auf dem Brustkorb und mit viel Glück konnte ich die totale Schotterflechte im Gesicht noch abwenden. Das Erste, was man dieser Situation macht, ist abzuchecken, wie viele Zuschauer sich an diesem Anblick erfreuen. Um diese Uhrzeit war ich jedoch mit meinem Schmerz allein und so raffte ich mich wieder auf und hoffte: „Schmerz lass nach“. Doch so richtig ließ da nichts nach, im Gegenteil. Im Laufe des Arbeitstages wurden die Schmerzen immer stärker und so beschloss ich, am nächsten Morgen doch den Weg zum D-Arzt zu nehmen. Nach viel Geduld hatte ich es dann schwarz auf weiß: Fraktur der 7. Rippe rechts und das 5 Wochen vor Schwerin. Über die obligatorische Trainingspause brauchen wir uns nicht zu unterhalten, die ergab sich von selbst, denn jede unkontrollierte Bewegung erinnerte mich auf schmerzvolle Weise, dass da noch Geduld gefragt ist. Nach 3 Wochen hatte ich mich dann langsam herangetastet und man konnte es wieder Laufen nennen. Der Trainingsrückstand war natürlich nicht aufzuholen und es kam noch schlimmer. Eine Woche vor Schwerin kam noch eine ordentliche Erkältung dazu. So langsam bekam ich Zweifel an meiner Mission Schweriner Seetrail. Es war, als würde eine höhere Macht alles versuchen, nur damit ich nicht nach Schwerin fahre. Natürlich widersetzte ich mich den höheren Mächten und machte mich, nebst Gemahlin, am 21. März auf den Weg nach Schwerin.
Bevor ich jetzt versuche, mich so gut wie es geht an das Rennen zu erinnern, hier noch ein paar Eckdaten: Die Strecke betrug 61 Kilometer um den inneren und äußeren Schweriner See. Dabei galt es rund 450 Höhenmeter zu überwinden. Es war teilweise asphaltiert, aber auch ordentlich trailig mit umgestürzten Bäumen auf schmalen Pfaden und kurzen Richtungswechseln. Dabei ging es durch Teile des Unesco Welterbes. Das Wetter war mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen zwischen 8 und 12 Grad fast perfekt. Nur der böige Wind war etwas nervig. Während der Großteil der Läuferschaar den Kaltstart nutzte, um sich einzulaufen, begab ich mich direkt zum Schloss, wo um genau 8:30 Uhr der Startschuss fiel.
Die ersten Meter führten noch durch den Schlosspark und anschließend auf dem Radweg um den See entlang. Schon der erste Kilometer war mit 4:20 Minuten recht flott. Ich fühlte mich zwar gut, doch schneller wollte ich es auf keinen Fall angehen lassen. So bildeten sich ganz vorn schon erste Grüppchen, doch ich hielt mich lieber dezent zurück. Nach zwei Kilometern ging es plötzlich rechts ab und ohne Vorwarnung war ich plötzlich im Gelände.
Da war es erst einmal vorbei mit dem „Einfachen“ und der Spaß konnte beginnen. Es war jedoch nur ein kurzes Intermezzo und so hatte mich der Radweg recht schnell wieder. Nach 11 Kilometern passierte ich den ersten von sechs Verpflegungspunkten. Danach wurde es richtig trailig, denn es ging auf schmalen Pfaden durch den tiefen dunklen Wald. Umgestürzte Bäume säumten den Weg und mussten überklettert werden oder es ging drunter durch. Das hat richtig Laune gemacht, nur die vielen engen Kurven waren etwas nervig. Deshalb hatte ich einen Läufer vor mir aus den Augen verloren und ich staunte nicht schlecht, als dieser mir bei KM 16 wieder entgegenkam, mit der Botschaft, wir hätten uns verlaufen. Obwohl ich mir relativ sicher war, auf der richtigen Strecke zu sein, folgte ich ihm erst einmal. Dann wurde es mir doch zu dumm und ich pfiff ihn zurück, um zu erklären, dass das doch die richtige Strecke war. So machten wir wieder kehrt und fortan lief ich vornweg und kurze Zeit später hatten wir anhand der Streckenmarkierung auch die Bestätigung, wieder richtig zu sein. Dieses kleine Malheur hatte mich vielleicht 2 Minuten gekostet, also nicht der Rede wert. Doch ich musste erst einmal wieder meinen Rhythmus finden. Nach 18 Kilometern erreichten wir noch zusammen den zweiten Verpflegungspunkt und hier erhielten wir die Info, Platz 8 und 9 zu sein.
Das war wie Musik in meinen Ohren, hatte ich doch insgeheim gehofft, solch eine Platzierung am Ende zu belegen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Ich setzte mich dann recht schnell von meinem Mitstreiter ab und fortan war es ein einsames Rennen für mich.
Nach 22 Kilometern passierte ich den Abzweig Ramper Moor, wo sich die Streckte teilte und die Läufer der 33 Kilometer Strecke abbogen.
Ja, und ab dieser Stelle kam meine große Zeit. Zwischen KM 22 und 35 spulte ich konstant schnelle Kilometerzeiten zwischen 4:18 und 4:26 Minuten ab und das Beste kommt noch: Kilometer 24, 25 und 26 waren mit 4:22 Minuten exakt identisch. Wenn ein Lauf so funktioniert, da bin ich mehr als begeistert und das setzt noch einmal zusätzliche Energie frei. So konnte ich doch tatsächlich noch den ein oder anderen Läufer überholen. Vom Gefühl her lag ich an 3. oder 4. Position und meine Marathon Durchgangszeit von 3:12 Stunden konnte sich auch sehen lassen.
Nach den 42 Kilometern wurde es zum letzten Mal richtig hart, denn es ging für 8 Kilometer noch einmal ordentlich rauf und runter. Am vorletzten VP in Willigrad, bei KM 45, konnte ich noch zu einem Läufer aufschließen und eine nette Dame am besagten VP meinte ganz beiläufig, jetzt kämen die ersten zwei von der großen Strecke. Das konnte natürlich, nach meinen Berechnungen, nicht stimmen. Ich wusste, dass ein ganz schneller Thüringer Läufer namens Carsten noch vor mir liegen muss. So legte ich diese Info gedanklich zur Seite und konzentrierte mich lieber auf das nächste Zwischenziel und das hieß KM 50. Ein kurzer Blick auf die Uhr und schon jagte mir die nächste „Jensehaut“ den Rücken hinunter. 3:52 Stunden für 50 Kilometer und das bei dieser Strecke. Jetzt begriff ich so langsam, dass das an diesem
22. März etwas richtig Großes werden könnte.
Nach 53 Kilometern erreichte ich Wickendorf. Hier wurden die zwei Strecken wieder zusammengeführt und ich konnte mich unter die Läufer der 33 KM-Strecke mischen. So hatte ich wieder etwas mehr Abwechslung auf den letzten 8 Kilometern. Das war aber nicht das einzige Highlight in Wickendorf. Hier wartete noch ein Herr mittleren Alters mit dem Fahrrad und fragte mich, ob ich der Führende sei.
Ich entgegnete: „Mit Sicherheit nicht, es müssten noch zwei oder drei Läufer vor mir sein.“ Dann folgte noch ein Wortwechsel, doch so richtig kommunizieren ging bei mir nicht mehr. Bei immer noch straffem Tempo, weit unter 5 Minuten pro Kilometer, kamen nur noch Wortfetzen rüber und der Radfahrer suchte die Flucht nach vorn. Nach gut 4 Kilometern das gleiche Spiel: Wieder kam der Radfahrer (im Nachhinein war es jemand von der Orga, was ich nicht wusste) um mir mitzuteilen, dass ich der Führende sei und ich wiederholte: „Das kann nicht sein, ich hätte ja Carsten aus Thüringen überholen müssen.“ Und erneut war er es leid, mit mir zu diskutieren, und zog abermals von Tannen. Jetzt waren es nur noch 4 Kilometer und ich konnte auf der anderen Seite des Sees schon das Ziel sehen, bzw. konnte ich schon den Moderator hören. Ich biss die Zähne zusammen und holte restlos alles aus mir raus, was noch in mir steckte (Bitte nicht wörtlich nehmen ?)
Dann war er da, der letzte Kilometer und wieder stand er da, der Mann auf dem Rad. Dieses Mal jedoch äußerst entschlossen entgegnete er mir: „Du kannst jetzt sagen, was du willst. Ich habe alles überprüft, es ist noch keiner im Ziel. DU BIST DER ERSTE.“
Wie ich mich in diesem Moment fühlte, kann ich nicht in Worte fassen. Es war einer der emotionalsten letzten Kilometer, den ich je gelaufen bin. Bei so einem großen Lauf in Führung zu liegen, ohne dass man es weiß, ist einfach unbeschreiblich. Ja, und dann hieß es mal wieder Freudentränen aus dem Gesicht wischen und hübsch machen für den Zieleinlauf.
Als ich dann noch den Moderator hörte, der mich als Gewinner der 61 Kilometer Strecke ankündigte, bestand kein Zweifel mehr: Ich hatte das Ding tatsächlich gewonnen.
Nach 4 Stunden, 46 Minuten und 19 Sekunden überquerte ich die Ziellinie und durfte mich Gewinner des Schweriner Seentrail nennen.
Das bedeute eine Durchschnittspace von 4:40 Minuten pro Kilometer. Hätte mir das jemand vorhergesagt, den hätte ich sofort für verrückt erklärt. Einziger Wermutstropfen, gefeiert habe ich diesen Sieg leider noch nicht standesgemäß. Das wird aber sowas von nachgeholt, versprochen.
An dieser Stelle möchte ich abschließend noch ein paar Worte des Dankes an den Veranstalter richten. Selbst wenn ich noch so suche, kann ich an dieser Veranstaltung nichts Negatives finden. Top organisiert, landschaftlich geniale Strecke (leider war ich so konzentriert, sodass es einige Erinnerungslücken gibt), sehr gute Verpflegung und auch sonst hat alles gepasst. Wer also schon nach Plänen fürs nächste Jahr sucht: Der Schweriner Seentrail bekommt eine ganz klare Empfehlung von mir.
Taucha, den 30.03.2025