Und alle Jahre wieder, packt uns das Rennsteigfieber.
Sollte es mal nicht so sein, bleiben wir trotzdem nicht heim,
denn das schönste Ziel auf dieser Welt ist und bleibt in Schmiedefeld.
Was für ein herrlicher Dreizeiler, der mir heute beim lockeren Auslaufen eingefallen ist.
Den musste ich einfach bringen. Nun aber zum Wesentlichen.
Es war der 21. Mai 2016 um 12:19 Uhr und in Schmiedefeld machte es gewaltig BAAAMMM ! Zu genau dieser Zeit überquerte der Dunkle Ritter die Ziellinie und konnte es noch gar nicht so richtig fassen, ein fast perfektes Rennen abgeliefert zu haben.
Doch jetzt erst einmal alles auf Anfang. Wie schon im Jahr zuvor, verließ am Freitag gegen
15:00 Uhr das Mutterschiff den heimatlichen Hafen um Richtung Eisenach aufzubrechen.
Mit an Bord waren der Captain, der 1. Steuermann, der auch für die Verpflegung der Mannschaft zuständig war, mein Kumpel Markus und ich.
Die erste Anlaufstelle war das Elisabeth Gymnasium zu Eisenach, wo Markus und ich die Nacht verbrachten. Doch was heißt Nacht, sicher es war dunkel und laut Zeitanzeige auch Schlafenszeit. Doch an Schlaf war in dieser Nacht überhaupt nicht zu denken.
Unsere neuen Rüstungen lagen fein säuberlich ausgebreitet und sortiert neben uns. Immer wieder blickten wir auf unsere Zeitmesser, wann sie denn endlich 4:00 Uhr anzeigen und wir die Rüstungen anlegen können. Irgendwann war es dann auch soweit und wir konnten sie anlegen, unsere neue Rüstungen. Eigentlich war das Ritual, die Rüstung anzulegen schon Routine, doch dieses Mal war es etwas anderes. Es war irgendwie unbeschreiblich, sie saß perfekt und schon beim Anblick meines Kumpels Markus wusste ich, dass man damit auch sehr schnell unterwegs sein kann. Als wir dann Beide so nebeneinander standen, war mir sofort klar, es ist wieder Zeit für „Superhelden“. Batman und Robin oder Robin und Batman im Kampf gegen das Böse, den bösen inneren Schweinehund. Ihr werdet es zwar nicht glauben, aber auch wir haben den und gerade in dieser Woche war er allgegenwärtig. Wir meisterten in dieser sehr umfangreichen Trainingswoche, innerhalb von 5 Tagen schon 135 Laufkilometer und 60 Radkilometer. Jetzt sollten beim Rennsteiglauf noch weitere 73 Kilometer und 1800 Höhenmeter dazu kommen. Davor hatten wir jede Menge Respekt und wussten nicht, wo unsere Reise hingehen würde. Aber wie schon gesagt, es war wieder an der Zeit ein „Superheld“ zu sein. Stand nur noch das Problem der Rollenverteilung an. Ich wäre so gerne Batman gewesen, aber bei einer Körpergröße von 170 cm vs. 187 cm hatte Markus einfach die besseren Argumente auf seiner Seite. So machten wir, die Dunklen Ritter Batman und Robin, uns auf dem Weg, erst einmal den Marktplatz zu Eisenach zu erobern. Aber da waren wir etwas zu spät dran. Der Marktplatz war schon fest in der Hand von 2500 anderen „Superhelden“ und alle hatten wie immer das gleiche Ziel, alle wollten den inneren Schweinehund besiegen und gesund die Schlacht in Schmiedefeld beenden. Viele von ihnen bestritten diese Schlacht schon unzählige Male, doch es waren auch einige dabei, die sich das erste Mal in diese Schlacht wagten und ich bin mir sicher, viele von den neuen „Superhelden“ werden immer wieder kommen. Was Batman und Robin betrifft, diese Beiden hatten auf diesem Schlachtfeld hier schon richtige Kampferfahrung und wie im Jahr zuvor auch einen Plan. Seite an Seite wollten sie wieder die Schlacht beenden, doch die Voraussetzungen für diese Mission waren alles andere als ideal. Während Batman eine fast 4 wöchige Verletzungspause einlegen musste
(Der legendäre Rad-Acht-Lauf hatte Spuren hinterlassen!), war Robin schon seit Wochen im Wettkampfmodus und das machte sich bereits auf den ersten Kilometern bemerkbar.
Nachdem der Start Punkt 6:00 Uhr erfolgte, marschierten Beide die ersten Kilometer Seite an Seite. Im Sog der anderen „Superhelden“ ging es den ersten Kilometer durch die Stadt.
Anschließend folgte der erste kleinere Anstieg und schon hatten sie die Zivilisation für die nächsten Stunden hinter sich gelassen. Bei Kilometer 7,3 erfolgte die Einmündung auf den Rennsteig und von da an wies das große „R“ den Weg der „Superhelden. Batman und Robin waren gut dabei und nahmen Kurs Richtung 10 Kilometermarke, der Schlüsselstelle ihrer Schlacht. Beide hatten sich vorher ausgemacht, nach jeweils 10 Kilometern zu entscheiden wie ihre Reise weitergehen sollte und schon jetzt stand eine sehr schwere Entscheidung an. Der Zeitmesser zeigte 52 Minuten an. Während Robin jetzt begann warm zu werden, ergriff so langsam die dunkle Seite der Macht Besitz von Batman. Um den Kampf gegen die dunkle Seite der Macht wieder zu gewinnen, bat Batman seinen treuen Begleiter alleine weiter zu ziehen. Obwohl Robin gerne noch Seite an Seite bis zur Ebertswiese (KM 37,5) gekämpft hätte (diese wollten Beide nach 3:20 Stunden erreichen), war die Entscheidung gefallen. Ab Kilometer 10 trennten sich ihre Wege und fort an starb jeder für sich allein. Um nicht gleich ins offene Messer zu laufen, behielt Robin zunächst dieses Tempo bei und sein treuer Begleiter schrie ihm noch hinterher, er solle sich unter die ersten 30 dieser „Superhelden“ kämpfen. Was für eine Mission und schwere Bürde zugleich wurde ihm da auferlegt. Ein Platz unter den Besten 50 wäre für Robin realistisch gewesen, aber noch einmal 20 Plätze weiter vorn, für Robin unmöglich. So etwas kann nur Batman schaffen. Da Robin jetzt allein weiter kämpfen musste, beschloss er ganz spontan jetzt selbst wieder Batman zu sein. Er richtete noch einmal seine Rüstung, klopfte den Staub von seinen Stiefeln und begann zu überholen.
Jeder „Superheld“, der dem Dunklen Ritter jetzt den Weg versperrte, wurde überholt. Selbst der Große Inselsberg nach 25 Kilometern hatte keine Chance. Dieser wurde im Sturm und nach 2:17 Stunden erobert. Das nächste Zwischenziel hieß dann Ebertswiese und der Plan besagte 3:20 Stunden, doch Batman war schon 3 Minuten früher dort. Er stärkte sich mit allem, was seine Hände halten konnten und marschierte Richtung 40 Kilometermarke.
Dort irgendwo, in den tiefen Wäldern Thüringens warteten die Eltern seines treuen Begleiters. Der Dunkle Ritter sah schon von Weitem, diese entsetzten und besorgten Blicke der Eltern, schließlich hatten sie nach zwei Dunklen Rittern Ausschau gehalten.
Aber Batman versicherte ihnen, dass alles mit ihrem Sohn in Ordnung sei und dass dieser, so war er sich sicher, den Kampf gegen die dunkle Seite der Macht schon wieder gewonnen hatte. Jetzt folgten lange und harte 14 Kilometer bis zum Grenzadler in Oberhof.
Ein Sympathisant am Wegesrand schrie dem Dunklen Ritter entgegen, dass er unter den Besten 90 dieser „Superhelden“ sei. Welch weiter Weg, bis zur erfolgreichen Mission, denn es galt noch weitere 60 „ Superhelden“ zu überholen und diese waren ja alle schnell unterwegs. So begann Batman jeden Einzelnen zu zählen, den er überholt hatte. Doch er kam nur bis 10, dann hatte er den Überblick verloren und so konzentrierte sich der Dunkle Ritter lieber wieder auf das Laufen. Nach 4:45 Stunden war dann der Grenzadler erreicht und auch hier wollten die Eltern seines treuen Begleiters warten. Doch von den Beiden keine Spur. War etwas passiert? Stimmte etwas nicht mit seinem Freund? Der Dunkle Ritter hatte keine Zeit zu warten, 54 Kilometer hatte er schon in den Beinen und es waren nur noch 19 zu bewältigen. Er hatte sich vorgenommen, wenn er zu diesem Zeitpunkt noch körperlich und geistig auf der Höhe ist, dann wollte er richtig Gas geben und das war jetzt der Fall. So bog er schon wieder Richtung Wald ab, als plötzlich die Eltern angerannt kamen. Der Dunkle Ritter erkundigte sich nach seinem Freund, dieser war zum Glück wohl auf, der Kampf war gewonnen und er hatte nach 40 Kilometern nur einen Rückstand von 20 Minuten. Jetzt war es für Batman Zeit, das Capi zu richten und auf Kampfmodus zu wechseln. Er hatte sich inzwischen auf Platz 45 vorgekämpft und er war bereit für den letzten großen Anstieg zum Großen Beerberg, mit fast 1000 Metern der höchste Punkt der Strecke. Anschließend ging es fast nur noch bergab und dies nutzte Batman. Er war jetzt so schnell unterwegs, dass er die Landeklappen ausfahren musste um nicht abzuheben. Irgendetwas schien ihm Flügel zu verleihen. War es der neue Sponsor? Ach nein, das ist ja eine andere Geschichte.Fristads Kansas lässt die Dunklen Ritter gut aussehen. Ja, und so sah auch Batman noch ganz gut aus und die Wanderer, die inzwischen das Schlachtfeld betraten, peitschten ihn dem Zeil entgegen. Er überholte und überholte weitere „Superhelden“, das 70 Kilometerschild suchte er jedoch vergebens. Wie er später, anhand seines neuen Zeitmessers feststellte, flog er die Kilometer 71, 72 und 73 in 4:03, 3:53 und 3:51 Minuten dem Ziel entgegen. Jetzt säumten auch die Zuschauer den Wegesrand und Batman schrie seine Freunde heraus. Alle sollten wissen, dass jetzt der Dunkle Ritter diese fast perfekte Schlacht beenden wird. Und wie so oft, war es ein überwältigendes Erlebnis im schönsten Ziel dieser Welt, wieder eine Schlacht erfolgreich zu beenden. Die Mission und schwere Bürde, die ihm sein Freund auferlegt hatte, beendete der Dunkle Ritter erfolgreich.
Nach 6:18:52 Stunden machte es dann gewaltig BAAAMMM in Schmiedefeld. Platz 29 und Platz 6 in der Altersklasse. Was für ein Finish.
Jetzt hieß es für den Dunklen Ritter warten, warten bis sein Freund die Schlacht der „Superhelden“ erfolgreich beenden würde. Der Zeitmesser tickte unaufhaltsam Richtung 13:00 Uhr und die magische 7 Stunden Marke rückte immer näher. Da war sich der Dunkle Ritter aber absolut sicher, dass sein Freund jeden Augenblick auf die Zielgerade einbiegen würde. Denn diese Schallmauer sollte er auf jeden Fall knacken, er war ja schließlich auch Batman. Und genau in diesem Augenblick flog er mit einem Lächeln dem Ziel entgegen.
Nach 6:58:11 Stunden überquerte auch der zweite Batman die Ziellinie, Platz 121 und Platz 17 in der Altersklasse steht in den Ergebnislisten und auch er konnte Stolz auf diese unglaubliche Leistung sein. Genau so, wie die vielen anderen „Superhelden“.
Die ganzen Felix, Micha`s, Matthias, Hartmut und alle anderen, seid Stolz auf das Erreichte und willkommen in meiner, in unserer Welt.
In der am Ende immer die Guten gewinnen und sollte es mal nicht so sein, dann war es noch nicht das Ende.
Der Countdown läuft und läuft unaufhaltsam Richtung UTMB. Heute sind es genau 100 Tage bis zu unserem großen Abenteuer, und jeden Monat wartet ein weiterer Meilenstein auf uns. Samstag starten wir gemeinsam beim Rennsteiglauf, die 74 km lange Strecke natürlich. Wie wir die Sache angehen werden, wird spontan entschieden. Da wir uns gerade in einer sehr trainingsintensiven Woche befinden, wird es sicher verdammt hart werden, Gas zu geben. Aber warten wir erst einmal ab. Anfang Juni startet Markus beim Hochkönigman über fast 90 km und knapp 6000 HM. Ja, genau dieser Lauf, bei dem ich letztes Jahr so ziemlich meine Grenzen erreicht hatte. Aber Markus wird das Ding schon rocken. Ich starte dann 2 Wochen später beim Zugspitz Ultratrail in Grainau. Bereits zum dritten Mal stehe ich bei Deutschlands größten Trailrun am Start. Deshalb sollte ich eigentlich diese 100 km und 5400 HM im Schlaf beherrschen. Aber man weiß ja vorher nie, wo die Reise hingeht und das ist auch gut so. Am 23.07. folgt dann unsere Generalprobe und der ultimative Härtetest schlecht hin, der Großglockner Ultratrail. Mit seinen 110 km und 6500 HM einer der schwersten Läufe Österreichs, bei dem wir mit Sicherheit Seite an Seite kämpfen werden. Ende August ist es dann soweit, die 100 Tage sind verstrichen und die Schlacht um Europas höchsten Berg kann beginnen. Bei so vielen „harten Brocken“ freut es mich ganz besonders, mit Fristads Kansas den idealen Partner gefunden zu haben. Vor genau 10 Tagen stand er vor mir, der Koffer oder besser gesagt, diese riesige Reisetasche, voll mit den besten Outdoorsachen unseres Sponsors. Und wenn ich das so sage, dann könnt ihr mir das ruhig glauben, denn davon verstehe ich was. Da sind richtig geile Teile dabei.
Als „kleine“ Zugabe wurde uns auch noch die Garmin Fenix 3 zur Verfügung gestellt. Das Non Plus Ultra was es zur Zeit auf dem Markt gibt. Die ersten Tests habe ich damit auch schon durchgeführt und ich muss sagen, sie hält was sie verspricht, ein Monster. Sollten wir uns damit doch einmal verlaufen, dann ist es sicher unsere eigene Dummheit oder die GPX Files waren einfach fehlerhaft. Und wenn ihr uns in den vordern Platzierungen vermissen solltet, haltet einfach im Mittelfeld Ausschau, nach diesen beiden Typen mit den geilen Klamotten. Ein bisschen Spaß muß sein. Denn wir können es kaum erwarten, unsere Rüstungen anzulegen und in die Schlacht zu ziehen.
Taucha, den 18.05.2016
Es gibt so viel Schönheit in der Welt, aber wenn du nicht in der Lage bist, die Schönheit hinter deinem Haus zu erkennen, ist es vermutlich auch verschwendete Zeit, sie auf der anderen Seite des Globus zu suchen.
Rickey Gates, Trailrunner
Welch wahre Worte von einem der charismatischsten Typen unseres Sports.
Ja, und genau diese Schönheit wollte ich gemeinsam mit meinem Laufkumpel Markus entdecken. Fast genau an meinem Haus führt sie vorbei, die Rad-Acht.
Sie hat eine Länge von 172 Kilometern und verbindet die Radwege an Saale, Unstrut und
Weißer Elster im Süden Sachsen-Anhalts zu einem sich kreuzenden Rundkurs mit einem Anstieg von insgesamt 1530 Höhenmetern. Dieser führt dabei durch Naumburg-Osterfeld-
Taucha(OT Hohenmölsen)-Weißenfels-Freyburg-Laucha-Bad Bibra-Eckhartsberga und Bad Kösen.
Soweit zu den Fakten und spätestens jetzt werden sich die meisten von euch fragen, wie man nur auf so eine Idee kommen kann, dieses „Monster“ laufend und innerhalb von 24 Stunden zu bewältigen. Die Idee selber trage ich schon lange mit mir herum. Mir fehlte nur noch so ein verrückter Hund, wie mein Laufkumpel Markus einer ist, der gleich von dieser Idee begeistert war und fragte, wann es denn losgehen sollte. Und wir wollten die Ersten sein, die diese, jetzt schon fast legendäre Rad-Acht, laufend bewältigen.
Pioniere sozusagen. Da fällt mir spontan ein, dass ich ja schon einmal Pionier war.
Einmal mit blauem und einmal mit rotem Halstuch, aber das ist eine andere Geschichte.
Und losgegangen ist unser Abenteuer am 8.April auf Marktplatz zu Naumburg. Bestens eingekleidet und unterstützt durch unseren neuen Sponsor Fristad Kansas, dem Unternehmen in Sachen Arbeitsbekleidung, standen wir nun im Kreise unserer Familien, Freunde und Bekannten und warteten bis die große Turmuhr Punkt 18:00 Uhr zu schlagen begann. Wie es sich für so ein großes Abenteuer gehört, wurden wir standesgemäß mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr verabschiedet. O.K., es war nur der Kleine Zapfenstreich. Na gut, jetzt habt ihr mich erwischt. Es wurde einfach nur Tschüss gesagt, einmal kurz gedrückt und schon ging es los. Die ersten 3 Kilometer durch die Stadt bis wir am Gasthaus „Zur Henne“ auf die Rad-Acht einbogen.
Begleitet wurden wir die ersten Kilometer vom Naumburger Tageblatt Redakteur Harald Boltze, der es sich natürlich auf seinem Fahrrad gemütlich gemacht hatte. Das Wetter war einfach nur ideal, die Sonne lachte noch immer und wir lachten auch. NOCH!
Zuerst machten wir uns auf den Weg Richtung Wethau. Wir kreuzten die B87 und liefen den Mühlenwanderweg Richtung Osterfeld. Unseren Begleiter Harald hatten wir inzwischen abgeschüttelt, schließlich ballerten wir mit satten 6 min pro km über den Asphalt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir richtig Mühe, die Geschwindigkeit zu halten und nicht schneller zu werden. Viel, viel später sollte es ja ganz anders kommen, da wären wir froh gewesen, auch nur annähernd in diesem Bereich zu laufen.
Auf einer Anhöhe bei Osterfeld stoppten wir das erste Mal kurz. Zum einem, um diesen herrlichen Ausblick mit der untergehenden Sonne zu genießen. Zum anderen, war es an der Zeit, etwas wärmere Kleidung anzuziehen und die Stirnlampen aufzusetzen.
Nun wartete auch schon die erste Bewährungsprobe auf uns. Auf einer ehemaligen Bahntrasse ging es, in absoluter Dunkelheit, kilometerweit nur gerade aus. Kein Anstieg, keine Kurve und nur Asphalt unter unseren Füßen. Unsere Gespräche waren inzwischen auch verstummt und wir trotteten Seite an Seite nebenher. Bis uns auf einmal die geniale Idee kam, einfach mal die Seiten zu tauschen und schon hatten wir die ersehnte Abwechslung. Am Kretschauer See ging es vorbei Richtung ehemaliges Bergbaugebiet Luckenau, Trebnitz und Deuben, das uns mit seiner rauen Schönheit schon auf uns wartete.
Gegen Mitternacht erreichten wir den Mondsee bei Hohenmölsen, wo die ersten Dauercamper schon ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Nun war es nicht mehr weit, bis zu unserem ersten Verpflegungspunkt und wir konnten die leckere Kartoffelsuppe fast schon riechen. Jetzt führte die Rad-Acht durch das wunderschöne Rippachtal, wo wir nach 66 Kilometern meinen Heimatort Taucha und unseren ersten Verpflegungspunkt erreichten.
Es war genau 1:00 Uhr als uns meine Familie schon mit wedelnden Taschenlampen erwartete. Da wir gut in der Zeit lagen, beschlossen wir, unsere geplante Pause von 30 Minuten um weitere 10 zu verlängern. Als wir meine nicht beheizte Garage betraten, wurde uns erst richtig bewusst, wie kalt es doch eigentlich schon geworden war.
Wir stärkten uns mit Kartoffelsuppe, Brezeln, Bananen, Schokolade und heißem Tee.
Für alle Fälle hatte meine Frau uns eine Flasche Kräuter bereitgestellt, aber das haben wir dann doch lieber dankend abgelehnt. Wir packten noch Proviant für die nächsten 30 Kilometer ein und schon sollte es weitergehen. Doch da bemerkte ich ein ungutes Gefühl in meinen Laufschuhen. Schon Blasen? Ich ließ mich überreden, lieber nachzuschauen und dann sah ich das Malheur. Es waren welche und mit einem Schlag war die Motivation fürs Erste total am Boden, galt es ja noch weitere 112 Kilometer zu laufen. Dabei hatte ich mir extra diese High-Tech-Zehensocken geholt, weil es praktisch unmöglich ist, darin Blasen zu bekommen. Nun war ich vielleicht bedient. Aber alles Jammern nützte nichts, das Problem war da und es musste eine Lösung her. Die offene Blase wurde getapt, ich zog andere Socken an und weiter ging es über Dehlitz Richtung Weißenfels. In Kleingöhren feierte die Dorfjugend eine Party am Lagerfeuer und lud uns auf ein Bier ein. Hätten sie uns einen Glühwein angeboten, wären wir womöglich schwach geworden, denn es wurde immer kälter.
Kurz vor 3:00 Uhr erreichten wir Weißenfels und die Schlüsselstelle unseres Abenteuers.
Markus bekam Probleme mit dem Magen. Er quälte sich Schritt für Schritt bis ein Weiterlaufen unmöglich wurde und wir das erste Mal gehen mussten. Nach 5 Minuten probierten wir es wieder mit Laufen, aber Markus Gesicht sprach Bände. Zu diesem Zeitpunkt, da bin ich ehrlich, glaubte ich nicht an ein erfolgreiches Ende unserer Mission und dachte mir so: „Vielleicht wäre der Kräuter beim VP1 doch nicht so schlecht gewesen.“
Also schleppten wir uns durch die Wiesen, entlang der Saale. Es war inzwischen so kalt geworden, dass ich noch eine weitere Schicht anziehen musste. Es fehlte nicht viel und wir hätten unsere Wasserreserven lutschen können. Ich versuchte, so gut es ging, Markus etwas aufzumuntern, denn wir waren kurz davor, die erste Runde der Rad-Acht zu schließen. Außerdem wartete am Gasthof „Zur Henne“, dem 2. Verpflegungspunkt, unser Vereinsvorsitzender Christoph Franzke mit dem Rad und einem Rucksack voller Proviant. So weit wollten wir auf jeden Fall kommen.
5:25 Uhr, nach 97 Kilometern, erreichten wir unseren 2.VP und hatten die erste Runde der Rad-Acht geschafft. Doch von der Schönheit unseres Burgenlandkreises hatten wir auf diesem Teilstück nicht so viel mitbekommen, da es größtenteils dunkel war. Vielleicht machen wir die ganze Sache noch einmal, dann aber anders herum. Mein Partner Markus würde mich sicher vor Freude erdrücken.Wir sahen Christoph schon von Weitem leuchten und neben ihm, wartete mit Matthias Barth, ein Läufer der Region, um uns ein Stück zu begleiten. Ich betone ausdrücklich noch einmal Matthias Barth wartete auf uns, nicht zu verwechseln mit einem gewissen Mario. Der hätte sicher nur auf den Bus gewartet.
Aus unserem 30 minütigen Stopp an dieser Stelle wurde leider nichts. Wir hatten es vorgezogen, unsere Verpflegung im Gehen aufzunehmen, um ein gänzliches Einfrieren zu verhindern. So langsam begann es jetzt auch hell zu werden und auch unsere Stimmungslage hellte sich etwas auf. Wir erreichten Freyburg, wo sich langsam die Sonne über die Weinberge schob und wenn man die Wiesen betrachtete, konnte man nur erahnen, wie kalt diese Nacht wirklich war. Mit Christoph und der neuen Umgebung war wieder Abwechslung in die Monotonie unseres Langstreckenlaufs eingekehrt. Nachdem wir Laucha an der Unstrut durchquert hatten, ein weiterer Schock für mich. Plötzlich wurde es in meinem rechten Schuh nass. Nicht dass ich in eine Pfütze getreten wäre, nein eine Monsterblase musste explodiert sein, so nass wie das war. Also wieder stoppen, die Wunde provisorisch versorgen und auf die Zähne beißen. So wie es mein Kumpel Markus schon seit ein paar Stunden machte.
Nach Laucha dauerte es nicht mehr lange und wir hatten endlich mal keinen Asphalt unter den geschundenen Füßen. Es wartete der Höhenzug der Finne auf uns und anschließend, im schönen Bad Bibra, unser 3.Verpflegungspunkt. Dort hatte sich der ansässige Kneippverein angeboten, die Verpflegung zu übernehmen. Von so viel Arrangement waren wir total begeistert und konnten es kaum erwarten, was nach 126 Kilometern in Bad Bibra auf uns zu kommt.
9:30 Uhr erreichten wir das Feuerwehrdepot in Bad Bibra, wo man schon auf uns wartete.
Wir ließen uns für 45 Minuten nieder, stärkten uns mit belegten Brötchen, Schokolade, Obst, heißem Tee und mussten die Frage nach dem „Warum?“ beantworten.
Auch wir fragten uns „Warum?“. Warum müssen wir schon wieder von hier aufbrechen, hatten wir es uns doch gerade so schön bequem gemacht.
Und nach 16 Stunden Laufen, fiel es uns unendlich schwer, unsere „Sessel“ zu verlassen.
Auf den ersten Meter war an Laufen nicht zu denken. Wir nahmen sozusagen Anlauf.
Erst begannen wir langsam zu gehen, wurden dann immer schneller, bis es schließlich wieder Laufen war. Weiter entlang der Finne hieß unser nächstes Zwischenziel Eckhartsberga.
Wir meisterten den letzten größeren Anstieg zur Eckhartsburg und von dort aus ging es weiter über Bad Sulza nach Großheringen, wo unser letzter Verpflegungspunkt geplant war. Zu diesem Zeitpunkt hatte eigentlich unsere Fahrradbegleitung Christoph den vermutlich leichteren Job, aber mit zunehmender Distanz wurde dieser immer gefährlicher. Er musste sich ernsthafte Gedanken machen, nicht von uns vom Fahrrad gestoßen zu werden. Nein, nein so schlimm war es dann doch nicht. Bei strahlendem Sonnenschein erreichten wir um 13:30 Uhr den Kilometer 153 in Großheringen, wo Markus Eltern schon mit den leckersten Speisen warteten. Auch hier war ein Stopp von 45 Minuten geplant, schön mit in der Sonne sitzen und so. Doch das wäre definitiv unser Knock Out gewesen. Deshalb beschlossen wir, alles Essbare, was wir nur tragen konnten, mit zunehmen und stopften es uns in einer 30 minütigen Geh-pause hinein. Na gut, Markus nahm nur das Nötigste zu sich, aber ich stopfte. Dann wieder das gleiche Spiel. Wenn wir ankommen wollten, mussten wir wieder Laufen und jetzt schmerzte jeder einzelne Schritt. Gut 25 Kilometer waren es noch bis zum Marktplatz in Naumburg und auf diesen letzten 25 Kilometern war unsere mentale Stärke gefragt, sowie der bedingungslose Wille über die eigenen Grenzen zu gehen.
Nach und nach kamen wir Bad Kösen ein Stück näher und dann tauchte sie auf, das Wahrzeichen der Stadt, des Ritters Domizil, die RUDELSBURG und vor ihr die Burg Saaleck. Wir waren nahe dran, das Unmögliche zu vollenden. Jetzt ein kleiner Slalomlauf durch die Fußgängerzone von Bad Kösen und dann nur noch 15 Kilometer, von denen wir im Wechsel 2 Kilometer gelaufen und 1 Kilometer gegangen sind. Christoph war noch immer an unserer Seite und trieb uns Richtung Naumburg. Er musste nur aufpassen, dass er bei dem Tempo nicht vom Rad fiel.
So machten wir Meter um Meter wett und kamen dem Gasthaus „Zur Henne“ immer näher.
Doch immer wenn ich Markus fragte, wie weit es noch sei, kam immer die gleiche Antwort: „Noch 9 Kilometer“. Ich war schon fast am Verzweifeln und konnte die Antwort nicht mehr hören, bis sie dann kurz nach 17:00 Uhr auftauchte.
Noch wenige Meter und wir hatten es geschafft. Die Rad-Acht war geschlossen und jetzt nur noch 3 Kilometer bis zum Marktplatz in Naumburg. Nur noch diese lange Gerade der Hauptstraße mit der anschließenden Steigung. Diese kam uns wie ein Aufstieg zum Mount Everest vor.
Seite an Seite bogen wir in die Jacobsstraße ein, Seite an Seite konnten wir schon unsere Familien entdecken und wie es sich für gute Teamplayer gehört, schritten wir die letzten Meter Seite an Seite durch das Zielband. Nach 23 Stunden und 46 Minuten hatten wir dieses 178 Kilometer lange Monster bezwungen. Wir waren jetzt die Pioniere, die die Rad-Acht als Erste laufend und in 24 Stunden geschafft hatten. Wir konnten uns von der Schönheit hinter unserer Tür überzeugen und irgendwann wird der Schmerz vergessen sein, doch der Stolz über das Erreichte wird bleiben.
Ich bereiste schon ferne Länder wie Kenia, Mexiko oder Thailand. Markus durchquerte Neuseeland und Südamerika. Doch jetzt liefen wir gemeinsam durch Orte wie
Großgestewitz, Luckenau, Kleingöhren oder Burgscheidungen, Thalwinkel sowie Großheringen und auch diese Reise hatte uns mit ihrer Schönheit überrascht.
Auch wenn mich Markus auf dieser Reise des Öfteren verfluchte und mir die Freundschaft
kündigte, haben wir uns dennoch wieder vertragen und sind bereit, gemeinsam neue Laufabenteuer zu erleben.
P.S.: Einen habe ich noch. Gut eine Stunde, nach Beendigung unseres Abenteuers, als das Adrenalin so langsam meinen Körper verließ, mutierte ich plötzlich und vollkommen unerwartet zur völligen Bewegungsunfähigkeit. Ich konnte mich ohne fremde Hilfe nicht mehr fortbewegen. So musste mich Markus 77jährige Oma stützen. Ich kam mir vor wie beim Zivildienst, nur mit umgekehrten Positionen. Zum Glück existieren da keine Fotos davon.
An dieser Stelle nochmal ein ganz GROSSES DANKSCHÖN unseren Familien, Christoph Franzke für die super Begleitung, den Mitarbeitern des Naumburger Tageblatts, unserem Physiotherapeuten Matthias Grunwald, sowie unserem Hauptsponsor Fristads Kansas.
Taucha, den 14.04.2016 ..... und noch 134 Tage bis zum UTMB
Es war der 13. Januar 2016, jener Tag an dem bekannt gegeben wurde, wer in diesem Jahr am Ultra Trail du Mont Blanc teilnehmen darf. Seit 5:30 Uhr befand ich mich in der Fabrik um meine Frühschicht abzuleisten. Die Nacht davor war nicht wirklich zum schlafen da, zu groß war die Anspannung. Und auch jetzt, in der Fabrik, konnte ich mich nicht wirklich auf meine Aufgaben konzentrieren. Immer wieder den Blick auf die Uhr gerichtet, und es war noch immer nicht zehn Uhr. Doch es fehlte nicht mehr viel. Mein Puls beschleunigte schon langsam und ich begab mich in Position. Es fehlten noch 10 Minuten. Ich machte gerade meine Pause und schaute den Rechner erwartungsvoll an. Jetzt fehlte nicht mehr viel bis zur Stunde 10. Vielleicht noch eine Minute und meine Hand bewegte sich langsam Richtung Maus. Plötzlich verspürte ich ein starkes Vibrieren im Brustbereich. Es war zum Glück nur das Telefon. Ich schaute auf das Display und es war mein TAR Partner Markus, der sich auch für den UTMB beworben hatte. Ich ging ran und noch bevor ich „Hallo“ sagen konnte, hörte ich, in seiner nüchterner und coolen Art, die Worte: „Wir sind dabei. Beide!“ Ich fragte lieber noch einmal nach und dann wieder dieser Satz, mit dieser Gelassenheit.
Ich flippte aus vor Freude und er ganz cool.
Aber ich sah es noch immer nicht schwarz auf weiß. Von meinem Rechner aus war kein Hineinkommen, auf die Seite des UTMB. Dann schickte mir Markus die Ergebnisliste der Auslosung. Jetzt hatte ich es schwarz auf weiß, oder war es blau auf gelb? Egal, ich wusste es nicht mehr. Jedenfalls standen wir beide auf der Liste.
Jetzt kann die letzte große Schlacht beginnen. Die Meisten von euch werden sich fragen, warum man sich so etwas freiwillig antuen muss. 170 Kilometer und 10000 Höhenmeter am Stück zu laufen und dafür auch noch Geld zu bezahlen.
Die Frage kann ich euch nicht beantworten. Vielleicht weil ich´s kann.
Ich weiß nicht, ob ich den Marktplatz in Chamonix in maximal 47 Stunden erreichen werde. Aber ich bin mir sicher, ich werde alles dafür geben und kämpfen, dass auch diese letzte Schlacht ein erfolgreiches Ende nimmt.