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Meine Bildergalerie aktualisiere ich stetig mit neuen Bildern aus meinem Läuferleben.

 

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Taubertal 100

Der Ritterlauf

Es hat mal wieder etwas Zeit in Anspruch genommen, bis ich mich dem Taubertal 100 widmen konnte. Zwei Wochen musste ich die ganze Sache, die dort passiert ist, erst einmal verarbeiten. Also legen wir los.

Mit dem Taubertal 100 wollte ich mich wieder der Herausforderung eines

100 Meilen Laufes stellen, allerdings schon 2020. Doch 2020 wurde der Lauf wegen Corona abgesagt und auf 2021 verlegt. 2021 musste ich dann verletzungsbedingt absagen und dieses Jahr konnte ich endlich an den Start gehen. Obwohl auch in diesem Jahr die Vorbereitung alles andere als störungsfrei lief, wollte ich die Sache nur mit einem Finish zu Ende bringen.

Denn sollte es mit dem Finish klappen, könnte ich mich für den Badwater 2023 bewerben. So war zumindest der Plan, und planen kann ich ja immer ganz gut, nur das jetzt noch

161 Kilometer dazwischen lagen. Das Besondere beim Taubertal 100, es ist ganz offiziell ein Ritterlauf. Ihr erinnert euch, da war doch mal was mit dem Schwarzen Ritter ?

Im Taubertal hatte ich nun die Möglichkeit, ganz offiziell zum Ritter geschlagen zu werden, sollte ich das Ziel erreichen. Ja, und diese Möglichkeit wollte ich mir nicht entgehen lassen.

So hieß es am 30.09. für Familie Sperlich auf nach Rothenburg ob der Tauber.

Der Freitag stand ganz im Zeichen des Sightseeings, denn Rothenburg muss man einfach einmal gesehen haben. Eine Stadt, wie aus dem Mittelalter, mit ihrer Standmauer und den ganzen historischen Bauten.

Samstag war dann sammeln vor dem Hotel Rappen angesagt, zu einem gemeinsamen Fackellauf zum Burghof. Hier erhielten, in den kalten Morgenstunden des 1.Oktober, die Botenläufer ihren Auftrag, das Ziel zu erreichen. So stiegen anschließend 164 Botenläufer hinab zur Eiswiese, wo auf einem Kilometer Länge Fackeln den Weg zum Start markierten. Es war kalt, sehr kalt an jenem Morgen, doch es sollte noch schlimmer kommen. Wenn schon Ritterprüfung, dann richtig. So sollte es gegen 10:00 Uhr anfangen zu regnen und laut Wettergott, auch nicht so schnell wieder aufhören. Mit diesem Gedanken hatte ich mich schon „angefreundet“, genauso wie mit der Tatsache, dass es heute mal wieder an der Zeit war, 100 Meilen zu laufen. So machte ich mich als Botenläufer Punkt 6:00 Uhr auf dem Weg nach Gemünden am Main, im Schutze der Dunkelheit immer schön neben der Tauber entlang. Der erste Kilometer war noch etwas schwerfällig, um so verwunderter war ich, dass ich diesen in 5:33 min bewältigte. Eigentlich etwas zu schnell, so kam es mir aber nicht vor. Also was machen, weiter so oder etwas kürzer treten? Ich entschied mich für das „Weiter so“, denn sollte ich durchkommen, hätte ich etwas früher Feierabend.

So ging es hochkonzentriert Kilometer für Kilometer immer weiter Richtung Norden, und so langsam hatte auch der Morgen über die Nacht gesiegt.

Als kleine Entschädigung gab es einen gigantischen Sonnenaufgang im Taubertal. Das war dann aber auch schon alles mit der Romantik, denn gegen 8:30 Uhr setzte der Regen ein. Der Vorteil, ich musste nicht lange überlegen, ob Regenjacke oder nicht. So öffnete der Himmel gleich richtig seine Schleusen, dass ich Mühe hatte, meine Regenjacke noch schnell genug anzubekommen. Nach 35 Kilometern, ein absolutes Highlight der Strecke, Schloss Weikersheim. Die Strecke führte direkt durch den Schlosspark, und ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Wer dort mal in der Nähe sein sollte, ganz klare Empfehlung. Mein nächstes Zwischenziel war Bad Mergentheim, wo sich das Ziel der 50 Kilometer Läufer befand. Mein Tempo war trotz Regen und Sturm noch immer konstant, wie ein Uhrwerk sozusagen. Nach einigen Schleifen durch den Kurpark von Bad Mergentheim erreichte ich nach 4:40 Stunden die Verpflegungsstation. Hier stärkte ich mich wieder mit etwas Obst und natürlich

Kartoffelbrei, auf den hatte ich mich inzwischen spezialisiert. Von Chiasamen und Kokosöl habe ich lieber die Finger gelassen, denn das kannte ich nicht.

Frisch gestärkt machte ich mich auf dem Weg nach Tauberbischhofsheim, dort sollten eigentlich meine zwei Mädels warten. Obwohl mein Tempo noch konstant bei 5:35 min lag, wurden meine Oberschenkel immer fester. Dass das irgendwann kommen musste, war mir schon klar, doch wenigstens wollte ich 100 Kilometer einigermaßen schmerzfrei überstehen. Doch bis dahin war es noch ein Stück des Weges. Inzwischen war es ein einsames Rennen für mich geworden, um so erfreulicher war es, dass ich kurz vor Tauberbischhofsheim noch auf einen Läufer aufschließen konnte, der auch auf der 100 Meilen Strecke unterwegs war. Schon voll im Fokus, meine beiden Mädels gleich begrüßen zu können, dann doch noch eine „Schrecksekunde“.

Kurz vor dem Marktplatz kündigte ein Turmbläser neue Läufer an. Ich war voll in Gedanken versunken und er blies ohne Vorwarnung, was das Zeug hielt.

Man war ich vielleicht erschrocken. Kurz gewackelt und weiter ging es, denn ich konnte meine zwei Mädels schon erblicken. Die Freude war groß, dass das funktioniert hatte. Und nicht nur das, der Sprecher auf dem Marktplatz kündigte mich als Gesamt Zweiten auf der 100 Meilen Strecke an. Da war ich erst einmal sprachlos, das hätte selbst ich mir nicht erträumt.

Dementsprechend hielt ich mich auch nur kurz auf, damit der Vorsprung zum Dritten nicht kleiner werden würde. Der obligatorische Kartoffelbrei, noch ein Küsschen für die Family und nach 6:31 Stunden ging es weiter nach Wertheim.

Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass es schon eine ganze Weile nicht mehr regnete. So nutzte ich gleich die Gelegenheit, um

mich meiner Regenjacke zu entledigen. Während ich so mit mir und meiner Regenjacke beschäftigt war, erblickte ich in weiter Ferne doch noch einen Läufer. Sollte es tatsächlich der Führende auf der 100 Meilen Strecke sein?

Mein Puls hämmerte plötzlich wie wild, mit jedem Schritt, dem ich ihn näherkam. Und plötzlich war ich auf Schlagdistanz. Ein kurzer Blick, beim Überholvorgang, auf die Startnummer und tatsächlich, ich war jetzt vorn. Urplötzlich hatte ich Kopfkino, wie es sich wohl anfühlen würde, als Erster durch Ziel zu laufen. Doch so schön sich der Gedanke auch anfühlte, ich musste ihn wieder verdrängen. Es lagen schließlich noch schier endlose 70 Kilometer vor mir. Aber der Gedanke hielt sich hartnäckig und urplötzlich meldete sich meine Uhr mit der Nachricht „Streckenabweichung“. PANIK !!!

Hatte ich irgendetwas übersehen, bis jetzt war die Strecke top markiert.

Also noch einmal zurück zum nächsten Abzweig, im 4er Schnitt natürlich,

das Adrenalin macht so etwas möglich. Hier war zwar keine Streckenmarkierung, aber die Radwegbeschilderung war eindeutig, Wertheim gerade aus. Der GPX Track sagte jedoch links, die Schotterpiste hinauf. Was machen? Die Radwegbeschilderung schien mir sinnvoller zu sein und so beschloss ich, mit einem unguten Gefühl, weiter geradeaus zu laufen.

Als ich nach einem Kilometer die Markierung vom Taubertal erblickte, viel mir die Last von mehreren Zentnern Steine ab, und urplötzlich sagte auch meine Uhr wieder „auf richtiger Strecke“. Verdammte Technik!

Ich malte schon wieder den Teufel an die Wand, wie es erst nach 100 Kilometern sein würde, wenn die Strecke da vielleicht nicht so durchgängig markiert sein würde. Ich bin schließlich ein gebranntes Kind, habe mich ja schon einmal in aussichtsreicher Position verlaufen. Und schon wieder setzten die Gedankenspiele ein, wie geil es gewesen wäre, hätte ich nach 100 Kilometern doch eine Radbegleitung. Doch wäre, wäre Fahrradkette ?

Und ehe ich mich versah, erreichte ich auch schon die Stadtgrenze von Wertheim, dort wo die Tauber in den Main mündet. Für mich ging es aber direkt durchs Zentrum und dann in die andere Richtung, aber immer am Main entlang. Etwas außerhalb lag die große Verpflegungsstation und auch das Ziel der 100 Kilometer Läufer. Hier wollte ich mir etwas mehr Zeit nehmen und mit der Family den restlichen Schlachtplan besprechen. Aber dann kam alles wieder ganz anders. Als ich nach 9:27h die 100 Kilometermarke knackte, wurde ich schon von Weitem als Führender des 100 Meilenlaufes angekündigt.

Dann ging alles ganz schnell. Ich kam kaum zur Besinnung, denn alle wollten was von mir, Presse, Veranstalter u.s.w.

Ich zwang mir schnell noch etwas Kartoffelbrei rein, wechselte das T-Shirt und beantwortete fast wie in Trance alle möglichen Fragen. Dann wurde ich offiziell gefragt, ob ich das Rennen fortsetzten möchte. Welche Frage, ich hatte schließlich eine Mission zu erfüllen und lag zu dem noch in Führung. Als ich die Frage mit „selbstverständlich“ beantwortet hatte, trat plötzlich ein Radfahrer vor mich mit den Worten: „Ich werde dich jetzt bis zum Ziel begleiten.“ War das ein gesanter des Himmels? Nein, es war die offizielle Radbegleitung für den Führenden. Man, meine Brust wurde immer breiter, was für ein Privileg. Das war schon fast wie ein Ritterschlag. So machten wir uns als Duo auf dem Weg Richtung Gemünden, jetzt immer auf dem Main Radweg entlang.

Bei allem, was da auf mich einprasselte, hatte ich ganz den Schlachtplan für die Family vergessen. Aber um ehrlich zu sein, es gab keinen mehr. Ich war jetzt vorn und musste das Ding so oder so durchziehen. Ich bereitete schon mal meine Radbegleitung darauf vor, dass es irgendwann langsamer werden würde. Doch bis KM 110 konnte ich das Tempo noch halten.

In Bettingen hatte die Feuerwehr clever auf das Wetter reagiert und die Verpflegungsstation in ihre Räumlichkeiten verlegt. Zu der einen Seite rein, Essen fassen, natürlich Kartoffelbrei, und zur anderen Seite wieder raus.

Zur Feier des Tages habe ich mir dort noch einen Smoothie gegönnt, bevor ich weiter machte. So langsam musste ich das Tempo etwas drosseln, denn mein Magen wollte plötzlich nicht mehr. Bei Kilometer 133 in Neustadt am Main, kam das, was sich schon ankündigte. An der dortigen Verpflegungsstation nahm ich natürlich wieder Kartoffelbrei zu mir. Doch so schnell wie er hineingekommen war, kam er auch wieder raus und auch der Rest vom Schützenfest. Es waren nur noch 27 Kilometer und das ohne Treibstoff im Tank. Das sollte doch irgendwie noch zu machen sein. Da jeder Läufer mit einem GPS Tracker ausgestattet war, konnte man als Außenstehender jeden Läufer live mitverfolgen. So fragte ich meine Radbegleitung, ob er mal schauen könnte, wie groß mein Abstand ist. Nach kurzer Recherche, dann die Antwort:

„8 Kilometer“. Auch wenn es mir jetzt so richtig  Sch… ging, sollte das doch machbar sein.

Auch wenn ich die nächsten Verpflegungsstationen leicht schwankend erreichte und auf feste Nahrung verzichtete, die Leute hinter den Stationen waren echt der Hit. Die haben bei diesem Schmuddelwetter stundenlang ausgeharrt, um einen dann zu empfangen wie einen „Rockstar“.

Das hat mich echt berührt und mir die nötige Kraft gegeben, die restlichen Kilometer noch abzureißen. Inzwischen musste die Stirnlampe wieder ihren Dienst aufnehmen, und unter dem Schutz der Dunkelheit schlich sich plötzlich ein anderer Läufer heran.

Ich war kurz sprachlos, war plötzlich mein Vorsprung so schnell aufgebraucht?

Obwohl mein Raum-Zeitgefühl schon abhandengekommen war, das konnte nicht sein. Kurzer Check, Startnummer fehlte, also alles save.

Nach einem kurzen Trott Seite an Seite, fragte mich der junge Läufer, ob er mich bis zum Ziel begleiten könne. Ich hatte nichts dagegen, nur mit der Kommunikation würde es bei mir jetzt nicht mehr so funktionieren, gab ich zu bedenken. Das war für ihn aber kein Problem und meine Fahrradbegleitung meinte nur: „Er kommt sich schon vor wie bei Forrest Gump, wenn das so weiter geht.“ Ich kann euch beruhigen mehr sind es nicht geworden.

Ein weiterer Vorteil unserer Dreierrotte, der junge Mann kannte hier jeden Stein. So musste ich nur hinterher trotten. Nach 155 Kilometern erreichten wir die Mainbrücke in Gemünden, hier nochmal ein kurzes Update in Sachen Vorsprung. 10 Kilometer!!! Der Wahnsinn, was geht hier ab. Ich werde das Ding doch tatsächlich gewinnen, daran bestand kein Zweifel mehr. Es würde nur noch etwas weh tun, aber nicht mehr stundenlang.

Nein, jetzt ging es nur noch um Minuten. Kilometer 160, wir verlassen den Radweg und biegen ab Richtung Adelsberg. Nur noch ein lächerlicher Kilometer geradeaus, den Berg hinauf. Ich spüre nichts mehr, die Augen beginnen zu schwitzen, ich friere, obwohl ich innerlich verbrenne. In meinen Kopf dreht sich alles, immer wieder höre ich meinen Namen durch die Boxen dröhnen. Ich erahne meine zwei Mädels, die mir entgegengeflogen kommen und dann passiert es einfach. Dann passiert einfach das Unmögliche, ich überquere nach 16 Stunden, 22 Minuten und 8 Sekunden als erster die Ziellinie. Jens Sperlich aus Taucha ist Sieger des 100 Meilen Laufs beim Taubertal 100. Selbst 2 Wochen danach fühlt es sich noch vollkommen unwirklich an. Doch es ist tatsächlich passiert, und es bleibt für immer.

Nachdem ich diesen winzigen Schritt über die Ziellinie vollzogen hatte, wartete noch die wahre Herausforderung, der Ritterschlag. Nach 161 Kilometern Niederknien auf ein rotes Samtkissen. Jetzt schmerzte wieder alles und nach mehreren Versuchen gelang es mir endlich, meinen Ritterschlag in Empfang zu nehmen. Sir Jens Sperlich, Ritter von Rothenburg, so lautet jetzt die offizielle Bezeichnung ?

 

P.S.: Wenn es am schönsten ist, sollte man…..

        Aber ich schwanke noch.

        Ich habe jetzt die Quali für den Badwater in der Tasche, jetzt muss ich nur

        noch die Eier haben im Januar meine Bewerbung zu schreiben.

        Ihr hört von mir.

 

 

Ergebnisse: www.taubertal100.de                                    

 

                                                                                          Taucha, den20.10.2022

 

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